Am Vorabend jenes Allerheiligentages, an dem die Stadt Lissabon über Gerechten und Ungerechten zusammenstürzen wird, findet ein Gespräch zwischen einem von der Inquisition zum Verbrennungstod verurteilten Geistlichen und seinem Gefängniswärter statt. In das Dunkel der Zelle hinein tönen von fern die Lockflöten zweier Blumenverkäufer, die mit ihren Wagen durch die Stadt ziehen, und die zeitlebens Konkurrenten und Freunde zugleich waren. Der verurteile Priester kennt natürlich unzählige Menschen. So erzählt er denn dem Wärter noch von weiteren Schicksalen. Akustische Signale aus der Stadt werden in seiner Erzählung zu ergreifenden Szenen menschlicher Bem~hung. Diese Szenen stimmen meist in einem überein: Diejenigen, von denen berichtet wird, quälen sich mit dem Versuch, eine peinigende, unüberwindliche Schwelle in ihrem Leben zu überwinden, doch der Versuch erweist sich jedesmal als fruchtlos. Entsprechend ist auch das Schicksal des Priesters selbst. Der Wärter eröffnet ihm am Ende, dass er von seinen Richtern begnadigt sei, ja sogar am Morgen des heraufdämmernden Allerheiligentages wieder die Messe lesen solle; der Hörer aber weiß, dass er nur begnadigt ist, um unter den Trümmern der Kathedrale begraben zu werden. |